Unterschlagung eines für die Biotonne vorgesehenen Brotes durch eine Verkäuferin rechtfertigt keine Kündigung
Vorfall stellt kein Eigentumsdelikt zu Lasten des Arbeitgebers, der zukünftige Zusammenarbeit unzumutbar macht
Die Kündigung einer Verkäuferin der Konsumgenossenschaft wegen Unterschlagung eines für die Entsorgung in der Biotonne vorgesehenen Brotes ist sowohl außerordentlich als auch ordentlich unwirksam. Dies entschied das Arbeitsgericht Leipzig.
Die 44jährige Klägerin des zugrunde liegenden Falls ist seit zirka 27 Jahren bei der Konsumgenossenschaft Leipzig, zuletzt als Kassiererin beschäftigt. Am 15. März 2010 hatte
sie unter anderem die Aufgabe, ein nicht mehr verkäufliches Brot in die Biotonne
zu entsorgen. Beim Verlassen der Arbeitsstätte und Zuschließen der
Verkaufsstelle wurde das Brot in der Tasche der Klägerin vom Arbeitgeber
entdeckt. Streitig ist dabei zwischen den Parteien, ob die Klägerin das Brot
mitnehmen und für sich selbst verwenden, oder – nach ihrer Darstellung –
später in der Biotonne entsorgen wollte.
Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nicht vollständig erschüttert
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Leipzig kommt es hierauf jedoch nicht
an, da selbst für den Fall, dass das Brot für die Mitnahme bestimmt gewesen
sein sollte, jedenfalls das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nicht
so beeinträchtigt ist, dass diese künftig nicht mehr vernünftig miteinander
arbeiten könnten.
Kündigung hätte aufgrund jahrelanger beanstandungsfreier Tätigkeit zunächst Abmahnung vorausgehen müssen
Das Gericht berücksichtigte dabei die erhebliche Dauer
des beanstandungsfreien Bestandes des Arbeitsverhältnisses (ohne Abmahnung
oder dergleichen) und darüber hinaus die Tatsache, dass das Brot
zur Entsorgung vorgesehen war und damit – anders als in so genannten Bagatellfällen,
wo es um Eigentumsdelikte zu Lasten des Arbeitgebers geht –
keinerlei Wert mehr für den beklagten Arbeitgeber hatte. Das Vertrauen des
Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers kann daher mangels konkreter
Beeinträchtigung des Eigentums des Arbeitgebers nicht so erschüttert
sein, dass eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar wäre. Dabei ist auch
der Grundsatz zu beachten, dass die Kündigung nicht Bestrafung für begangene
Handlungen sein soll, sondern zukunftsbezogen zu bewerten ist, dass
heißt, es bedarf einer negativen Prognose hinsichtlich der künftigen Zumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit. Da sich die Klägerin hier durch die
jahrelange beanstandungsfreie Tätigkeit einen nicht unerheblichen Vertrauensvorschuss
erarbeitet hat, hätte es in jedem Fall – sofern der Arbeitgeber
auch die Mitnahme von für ihn völlig wertlosen Gegenständen untersagen
will – des Ausspruchs eines vorherigen Abmahnung bedurft.
- Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
- LAG Schleswig-Holstein: Keine fristlose Kündigung wegen Verzehrs von übrig gebliebenen Patientenessen ( Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil [Aktenzeichen: 3 Sa 233/10] )
- Kinderreisebettfall: Müllmann nimmt bereits entsorgtes Kinderbett an sich – Kündigung wegen Diebstahls unzulässig ( Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil [Aktenzeichen: 13 Sa 59/09] )
- Bagatellkündigung: Kündigung einer Reinigungskraft wegen Mitnahme weggeworfener Pfandflaschen ( Arbeitsgericht Lübeck Urteil [Aktenzeichen: 3 Ca 864/09] )
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Arbeitsgericht Leipzig
- Entscheidungsart:Urteil
- Datum:30.09.2010
- Aktenzeichen:3 Ca 1482/10
Quelle:Arbeitsgericht Leipzig/ra-online