BKA verletzt Claudia Pechstein durch Pressemitteilung in ihren Persönlichkeitsrechten
In hohem Maße ehrverletzende Tatsachenbehauptung darf nicht mehr veröffentlicht werden
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat dem Bundeskriminalamt untersagt, Passagen aus dem Schiedsurteil des Internationalen Sportgerichts CAS hinsichtlich der Doping-Vorwürfe gegenüber der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein zu verbreiten, zu veröffentlichen oder verbreiten zu lassen.
Vorausgegangen war, dass der Internationale Sportgerichtshof (CAS) mit Schiedsurteil
vom 25. November 2009 ein Urteil der Internationalen Skating Union (ISU) vom 1. Juli 2009 bestätigt hatte, wonach gegenüber der Antragstellerin eine zweijährige Wettkampfsperre
wegen angeblichen Blutdopings verhängt worden war. Im Zuge von Ermittlungen gegen
unbekannt wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz, die die
Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I führt, nahm das BKA am 3. März 2010
und 5. März 2010 insgesamt 21 Hausdurchsuchungen bei Sportverbänden, Sportlern und
einer Arztpraxis vor. Im Anschluss daran gaben die Staatsanwaltschaft München I und
das BKA eine Presseerklärung ab, in der unter anderem die Behauptung
aufgestellt wurde: „In der Urteilsbegründung wird der Athletin Blutdoping vorgeworfen, welches nach Einschätzung des Gerichts so nur in einem professionellen ärztlichen Umfeld möglich ist“. Das BKA stellte diese Pressemitteilung auch auf seiner Homepage ein, wogegen die Antragstellerin nun einstweiligen Rechtsschutz beantragte.
Aussage kann Persönlichkeitsrecht in erheblichem Maße und nachhaltig beeinträchtigen
Das Gericht ist der Auffassung, dass die Antragstellerin durch die umstrittene Äußerung des BKA in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt ist und einen Unterlassungsanspruch hat. Der Halbsatz, wonach das vorgeworfene Blutdoping „nach Einschätzung des Gerichts so nur in einem professionellen ärztlichen Umfeld möglich ist“, sei geeignet, als unwahre Tatsachenbehauptung das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin nach Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in erheblichem Maße und nachhaltig zu beeinträchtigen, ohne dass dies zugunsten anderer erheblicher Rechtsgüter unserer Gesellschaft gerechtfertigt sei.
Aussage suggeriert zielgerichtete Vorgehensweise der Sportlerin
Der Hinweis auf ein „professionelles ärztliches Umfeld“ lasse nur den Schluss zu, dass
seitens der Antragstellerin mit professioneller Hilfe vorgegangen wurde, was geeignet
sei, ihre Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu beschädigen. Die - suggerierte - Einschaltung
von Ärzten setze zwingend eine vorsätzliche und zielgerichtete Vorgehensweise
voraus, so dass veränderte Blutwerte nicht etwa - aus der Sicht der laienhaften
Öffentlichkeit - auf nur eine fahrlässige Einnahme von Präparaten oder anderen Umständen
zurückführbar sein könnten.
Mitwirkung professioneller Dopingärzte nicht nachweisbar
Die Äußerung des BKA sei auch unwahr, so das Gericht, da in dem CAS-Urteil keineswegs
die Rede davon sei, dass die angebliche Beeinflussung des Bluts der Antragstellerin
„so nur in einem professionellen ärztlichen Umfeld möglich ist“. Der Internationale
Sportgerichtshof habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es zunehmend schwerer
sei, rEPO in Urinproben überhaupt festzustellen, weil eine häufige Gabe sehr kleiner
rEPO-Mengen „in ausgeklügelten Dosierungsplänen“ diesen Nachweis erschwerten.
„Daher ist ein mangelnder rEPO-Befund für das Schiedsgericht kein Beweis dafür, dass
eine Blutmanipulation ausgeschlossen werden kann“, zitiert das Verwaltungsgericht das CASUrteil. Anhaltspunkte dafür, dass im Falle der Antragstellerin professionelle Dopingärzte
mitgewirkt haben könnten, seien dem Urteil des Internationalen Sportgerichtshofs nicht
zu entnehmen; die umstrittene Tatsachenbehauptung sei daher als falsch zu bewerten.
Ehrverletzung durch Organ öffentlicher Gewalt noch schwerwiegender
Diese falsche Tatsachenbehauptung sei auch in hohem Maße ehrverletzend und geeignet,
die Antragstellerin in ihrer Wertschätzung durch die Öffentlichkeit herabzumindern
und Vorverurteilungen zu provozieren. Dies wiege nach Auffassung des Gerichts
umso schwerer, als diese Ehrverletzung durch ein Organ der öffentlichen Gewalt erfolgt
sei.
- Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
Angaben zum Gericht:
- Gericht:Verwaltungsgericht Wiesbaden
- Entscheidungsart:Beschluss
- Datum:22.04.2010
- Aktenzeichen:4 L 243/10.WI
Quelle:ra-online, VG Wiesbaden